23. Sonntag des Jahreskreises A -  2008                                                                                   www.puntopace.net

«Bleibt niemand etwas schuldig; nur die gegenseitige Liebe schuldet ihr einander immer!». Paulus Aussage ist zugleich eine Verkündigung. Sie ist eine Erklärung, die uns befreit und zugleich verpflichtet. So ist es immer mit der Liebe: Was nicht ausdrücklich als normale Pflicht verlangt wird, besteht als Bedürfnis, das spontan entspringt, als offenbare Folge der Liebe selbst. Jesus zeigt uns die tiefsten Wurzeln des gegenseitigen Wohlwollens, indem er uns anregt, brüderliche Zurechtweisung zu üben und hinzunehmen. Es handelt sich dabei um ein Eingreifen, damit der Andere reift und nicht, um ihn zu strafen. Die Zurechtweisung muss samt der Zielrichtung alle Behutsamkeit beinhalten, um weder zu verletzen, noch niederzudrücken. Sie gründet in der Überzeugung, dass, wenn man in seinem Namen versammelt ist, seine Gegenwart keine Illusion ist, sondern eine Tatsache, die erfordert, sie in unseren Alltag einzubinden und in heutiger Zeit lebendig zu halten. Aber es gibt darüber hinaus noch mehr: Weil sie eine Gegenwart ist, welche die alte hebräische Lehre der schekinah aufgreift, verkörpert sie sich in der Versammlung im Namen dieser Gegenwart. Statt durch himmlische Hierarchien aufzusteigen, um den Thron der Herrlichkeit  (Merkabah)  zu erreichen, offenbart sich die Herrlichkeit selber,  weil sie Liebe ist, und als dauernde Liebe jedes Mal brennt, wenn wir uns lieben.


Bäume entlang des Flusses Lao,                                   in der Nähe von Orsomarso.

GEBET

   Alte Lehrer haben uns erzählt,
dass ein Kind, als ihm gesagt wurde:
«Ich gebe dir einen Gulden,
wenn du mir sagst, wo Gott wohnt»,
geantwortet hätte:

«Und ich gebe dir zwei,

wenn du mir sagst  wo er nicht wohnt!»…

   Ja, Herr, Du bist in jedem Ding:

Bist im sanften Rauschen der Bäume

wie im Seufzen des Armen, der um Hilfe ruft,

und es gibt keinen Ort,

der Deiner Gegenwart entrinnt.

   Aber Du bist vor allem dort,
wo mindesten zwei Menschen unter sich
Dein Abbild wiedergespiegelt sehen
und das vollbringen,
was der alte Feind zu tun sich weigerte,
nämlich gegenseitig im anderen

Dein Ebenbild erkennen…,        *

jenes Ebenbild, das uns Größe verleiht
und Dich mehr als anderswo unter uns anwesend macht!

 (GM/07/09/08)  

 

* In der hebräischen Überlieferung wird erzählt, dass der Fall einiger Engel von ihrer Weigerung verursacht wurde, das Abbild Gottes in Adam und Eva anzubeten.

 

Matthäus (18,15-20) Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen. Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner. Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein. Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Römerbrief (13,8-10). 8 Bleibt niemand etwas schuldig; nur die Liebe schuldet ihr einander immer. Wer den andern liebt, hat das Gesetz erfüllt. 9 Denn die Gebote: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren!, und alle anderen Gebote sind in dem einen Satz zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. 10 Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.